Der bescheidene Kaffee aus dem Filter ist das Trendgetränk der Stunde und zum Symbol des Third Wave Coffee geworden. Doch wer glaubt, dass dies die Renaissance der Filtermaschine bedeutet, irrt. Denn wer seinen Kaffee liebt, arbeitet manuell. Und dabei gibt es genauso viel zu lernen wie bei der Herstellung eines Espressos mit einer Siebträgermaschine.
Warum ist Filterkaffee derzeit so beliebt?
Zweifellos spielt beim Comeback von Handfilter-Kaffee auch der Trend zum Minimalismus eine Rolle. Doch der eigentliche Grund liegt tiefer: Mit der Third Wave der Kaffeekultur hat sich auch die Haltung etabliert, dass ein guter Kaffee sorgfältig, langsam und mit exakten Werten zubereitet werden muss.
All das bietet ein guter Filterkaffee, denn er extrahiert das Aroma sehr sorgfältig und bringt auch feinste Nuancen aus der Bohne in die Tasse, die bei vielen anderen Zubereitungsmethoden schnell verloren gehen. Das gilt besonders für helle Röstungen und ihre blumigen Noten, die das Geschmacksprofil der Third Wave prägen.
Nicht zuletzt ist Kaffee aus dem Handfilter eine Wissenschaft für sich, bei der Barista und Kaffeefreunde zeigen können, dass sie das Wesen guten Kaffees verstanden haben und achten. Oder anders gesagt: Wer diese Zubereitungsmethode beherrschen will, muss sich intensiv mit dem Zusammenspiel von Röstung, Mahlgrad, Temperatur und Aufgussverhalten beschäftigen.
Was ist besser – Filterkaffee oder Maschinenkaffee?
Im Grunde macht eine Filtermaschine nichts anderes als der Handfilter – allerdings geht sie dabei immer Kompromisse ein. Die Maschine interessiert es nicht, welche Röstung oder Bohne gerade zubereitet werden soll. Sie erhitzt das Wasser auf einen werkseitig festgelegten Mittelwert, spritzt es mal mehr, mal weniger sanft auf das Kaffeemehl und lässt es durch die Filtertüte in die Kanne laufen. Seien wir ehrlich: Bei einer Filtermaschine kommt es auf Masse, nicht auf Klasse an.
Beim Kaffeeaufbrühen mit dem Handfilter geht es jedoch kompromisslos zu: Die Wassertemperatur beträgt messbare 94 Grad Celsius, das Filterpapier ist im Idealfall hochrein und wird vor der Nutzung benetzt, um den Papiergeschmack zu eleminieren. Anschließend wird das Wasser in leicht kreisenden Bewegungen in mehreren Schritten über das Kaffeemehl gegeben. Das Benetzen des Kaffees nennt sich „blooming“.
Statt den Kaffee direkt aufzugießen, gilt es, das Mehl zunächst gleichmäßig zu befeuchten und es dann kurz quellen zu lassen. Dabei werden wichtige Aromen sanft angelöst, die sonst bei der schnellen Filterung untergehen würden. Wer es ganz genau nimmt, passt auch noch Mahlgrad und Kaffeemenge an die jeweilige Röstung an und kitzelt so aus einer Bohne völlig neue Geschmacksvarianten.
Welcher Kaffee eignet sich für Handfilter?
Das Filterpapier ist das Herzstück dieser Zubereitungsmethode und kreiert einen ganz bestimmten Geschmack. Das Papier hält rund 80 Prozent der Kaffeeöle zurück und sorgt am Ende dafür, dass etwa 22 Prozent der Bohnenbestandteile im fertigen Kaffee gelöst sind.
Wenn der sehr vordergründige Geschmacksträger Fett beim Kaffeebrühen zurückgehalten wird, stehen feinere Nuancen im Mittelpunkt – blumige oder fruchtige Noten, elegante Säuren, Obst- oder Schokoaromen.
Das wiederum bedeutet, dass die manuelle Methode zum Kaffeeaufbrühen immer dann eine gute Idee ist, wenn die Röstung hell und der Geschmack sanft ist. Allerdings heißt das nicht, dass Freunde dunklerer, kräftiger Mischungen hier leer ausgehen. Im Gegenteil: Der Handfilter nimmt etwas von der Kraft dieser Röstungen zurück und gibt so den Blick auf die hintergründigeren Aromen frei. Nur ausgewiesene Espressomischungen mit einem hohen Anteil an Robusta geraten im Handfilter meist in geschmackliche Schieflage.
Eines gilt jedoch immer: Es müssen beste Bohnen für Filterkaffee sein. Denn eine nicht sorgfältige Röstung oder eine mindere Bohnenqualität kann sich hier nicht hinter vordergründigen Bitterstoffen oder Fetten verstecken.
Was sollte ich beim Kaffee aus dem Handfilter noch beachten?
Es muss nicht gleich eine Komplett-Ausrüstung wie in der Kaffeebar sein, um ordentlichen Filterkaffee von Hand zu zaubern. Wichtig ist nur, bei den einzelnen Komponenten und Arbeitsschritten auf Qualität und gute Materialien zu achten:
- Der Filterhalter ist idealerweise aus Porzellan oder Glas. Beide Materialien sind geschmacksneutral und besitzen eine gute Wärmehaltefähigkeit.
- Das Filterpapier besteht aus mehrfach gereinigten Fasern ohne Zusätze oder Bleichmittel. Auch Dauerfilter aus Stoff sind beliebt, haben aber ein etwas anderes Extraktionsverhalten.
- Das Wasser muss frisch aus dem Hahn kommen und idealerweise exakt dosiert werden können.
Handmühle, Thermometer, Küchenwaage und Schwanenhalskanne gehören für Profis fest zum Handfilter-Repertoire. Sie sind zwar nicht unverzichtbar, sorgen allerdings wirklich für noch bessere Ergebnisse in jeder Tasse. All diese Hilfsmittel sind jedoch nichts ohne die wichtigsten Tipps und Kniffe für guten Handfilter:
- Das Filterpapier vorher immer ausspülen. So werden Papierreste, Staub etc. entfernt und landen nicht in der Tasse.
- Die Bohnen nur portionsweise frisch mahlen. Das Kaffeearoma ist hoch flüchtig und gerade die flüchtigen Elemente spielen die größte Rolle bei Filterkaffee.
- Einen mittleren Mahlgrad wählen. Bei einer etwas gröberen Körnung wird der Kaffee schneller extrahiert und dementsprechend „dünner“. Das kann dunkleren Röstungen aber auch helfen. Einfach ausprobieren.
- Das Kaffeemehl im Filter glatt klopfen, um eine gleichmäßige Oberfläche zu erhalten.
- Nach dem Bloomen (etwa 30 Sekunden warten) in kreisenden Bewegungen einmal aufgießen, abwarten, mit stetigem, sanften Strahl auf die Mitte aufgießen, wieder abwarten. Insgesamt beträgt die Brühdauer rund drei Minuten.
Bei der Gießtechnik gibt es übrigens auch viele Möglichkeiten, den Kaffeegeschmack zu beeinflussen. Ein konstanter Strahl sorgt für einen üppigeren Kaffee, die Gießen-Warten-Methode ist ideal für sehr fruchtige Kaffees.
Kaffee aus dem Handfilter: So viel Purismus war nie
Eines steht fest: Der heutige Kaffee aus dem Handfilter hat nur noch wenig mit seinen Vorfahren aus der Anfangszeit gemein. Damals ging es um Kaffeetrinken, heute geht es um Kaffeegenuss bis in die kleinste Nuance. Das sieht zwar puristisch aus, doch ist die Handfilter-Technik weitaus komplexer, als man meinen mag:
- Der Handfilter verlangt Sorgfalt, Geduld und eine genaue Einstellung der Komponenten.
- Er feiert den direkten Charakter einer Röstung bzw. Bohne und ist ideal für Single Origins und helle Röstungen.
- Die Frage „Filterkaffee – welche Bohne nehme ich?,“ kennt nur eine Antwort: die beste.
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